Forscher des MIT haben einen Durchbruch geschafft: Sie haben eine neue Art von Beton entwickelt, der Strom speichern kann – wie eine Batterie. Diese „Beton-Batterie“ speichert jetzt zehnmal mehr Energie als noch vor einem Jahr. Ein Kubikmeter kann über 2 kWh aufnehmen, was für etwa 2-4 Tage Kühlschrankbetrieb reicht. Langfristig könnten Hauswände oder Parkhäuser selbst Strom speichern und E-Autos laden.
Vom Labor zur Revolution: 45 Kubikmeter schrumpfen auf 5
Die Entwicklung ist rasant: Früher brauchte die Beton-Batterie 45 Kubikmeter – also das Volumen eines ganzen Kellers –, um den Tagesbedarf eines Haushalts zu speichern. Heute genügen nur noch 5 Kubikmeter, also etwa eine einzige Kellerwand. Diese Verbesserung gelang den Forschern Franz-Josef Ulm und Admir Masic vom MIT innerhalb nur eines Jahres, wie die Universität berichtet.
Die neue Generation der sogenannten ec³-Technologie (electron-conducting cement-based materials), also leitfähiger Beton, speichert über 2 kWh pro Kubikmeter. Ein Betonblock in der Größe eines Kühlschranks kann rund 0,6 kWh speichern – genug, um einen echten Kühlschrank etwa zwei Tage lang zu betreiben. Die Forscher veröffentlichten ihre Ergebnisse in einer wissenschaftlichen Studie.
Der Trick: Desinfektionsmittel macht Beton zum Superkondensator
Die Forscher mischen dem Beton eine spezielle Flüssigkeit bei, die ihn leitfähig macht. Dabei sind die Wirkstoffe ähnlich wie jene, die auch in manchen Desinfektionsmitteln vorkommen. So kann der Beton elektrische Energie aufnehmen und wieder abgeben – schnell und verlustarm.
Beim Aushärten bildet sich im Inneren ein feines Netz aus winzigen Kohlenstoffpartikeln, das sich durch den Beton zieht wie ein Spinnennetz. Dieses Netz speichert Strom, ohne dass sich die Struktur abnutzt, und hält zudem zehntausende Ladezyklen aus.
Im Labor zeigen die Forschenden bereits kleine Prototypen: Ein Betonblock kann genug Energie speichern, um Ventilatoren oder Spielkonsolen zu betreiben. In einem Versuch trägt ein kleiner Betonbogen sogar eine Last und leuchtet dabei über eingebaute LEDs. Wenn Druck auf ihn wirkt, flackert das Licht – der Beton reagiert also auf Belastung und funktioniert zugleich als Sensor für seine eigene Stabilität.
Parkhaus lädt E-Auto: So könnte es funktionieren
Die Vision für die E-Mobilität klingt vielversprechend, wie internationale Fachmedien berichten: Parkhäuser könnten zu dezentralen Energiespeichern werden. Solarpanels auf dem Dach laden tagsüber die Betonstruktur auf, nachts gibt diese die Energie an parkende E-Autos ab. Ein Stellplatz mit 3,75 Kubikmetern Speicherbeton könnte theoretisch 7,5 kWh bereithalten – ausreichend für 30 bis 50 Kilometer Reichweite.
Die Technologie zeigt sich flexibel bei der Elektrolytwahl. Sogar Meerwasser funktioniert als Elektrolyt, was Anwendungen in Küstenregionen oder auf Offshore-Plattformen ermöglicht. Mit über 10.000 nachgewiesenen Ladezyklen ohne nennenswerte Degradation, also Abbau der Leistung, würde eine solche Infrastruktur die 50-Jahre-Lebensdauer typischer Betonbauten problemlos erreichen.
Allerdings existieren konkrete E-Mobility-Anwendungen bisher nicht. Die geschätzte Ladeleistung von 1-2 kW entspricht Level-1-Ladung bei Elektroautos – für eine Vollladung wären 8-10 Stunden nötig. Moderne Schnelllader arbeiten mit 50-350 kW. Zudem fehlen aktuell noch essenzielle Komponenten wie Leistungselektronik zur Spannungswandlung von 12 Volt Beton auf 400-800 Volt Fahrzeugbatterie.
Japan macht Ernst: Erste Projekte laufen bereits
In Japan läuft die Entwicklung bereits praktisch an: Die Firma Aizawa Concrete arbeitet mit dem MIT zusammen. In der Stadt Sapporo testen Forscher entsprechend präparierte Betonplatten, die sich selbst erhitzen, um Schnee zu schmelzen – ein echter Härtetest bei bis zu fünf Metern Schnee pro Jahr.
Das Prinzip lässt sich weiterdenken: Straßen oder Brücken könnten künftig selbst Energie speichern oder Fahrzeuge kabellos laden. „Man kann von Millimeter- auf Meterdicke skalieren“, erklärt MIT-Forscher Franz-Josef Ulm. „So wächst die Speichermenge vom LED-Licht bis zur Stromversorgung eines ganzen Hauses.“
Doch die Forschenden denken längst weiter – und entdecken dabei noch eine ganz andere Eigenschaft des Materials.
Der versteckte Clou: Gebäude werden zu Sensoren
Die MIT-Forscher entdeckten einen bemerkenswerten Nebeneffekt: Der Speicherbeton reagiert auf mechanische Belastung mit messbaren Spannungsänderungen. Brücken könnten künftig autonom ihre Stabilität überwachen, Windkraftanlagen-Fundamente vor Überlastungen warnen oder erdbebengefährdete Gebäude kontinuierlich ihre strukturelle Integrität prüfen. Eine Technologie, drei Funktionen: tragende Struktur, Energiespeicher und Echtzeit-Sensor.
Diese Multifunktionalität könnte den entscheidenden wirtschaftlichen Vorteil bringen. Während reine Batteriespeicher nur eine Funktion erfüllen, amortisiert sich die ec³-Technologie über mehrere Anwendungsfelder. Besonders für kritische Infrastruktur wie Brücken oder Tunnel könnte die Kombination aus Energiespeicherung und Strukturüberwachung den höheren Initialaufwand rechtfertigen.
Was heute schon möglich ist
Noch steckt die Beton-Batterie in der Forschung. Doch wer heute schon Energie speichern will, hat Alternativen: Powerstations oder auch größere Heimspeicher, die Haus, Garten oder das Wohnmobil mit Strom versorgen. Und bei den Akkus selbst tut sich etwas: Neue Natrium-Ionen-Akkus sind günstiger und nachhaltiger als Lithium-Systeme – wenn auch noch etwas schwerer. Die Beton-Batterie würde hier noch einen Schritt weitergehen: kein Gerät mehr, sondern das Gebäude selbst wird zum Speicher.
Für E-Auto-Fahrer bleibt die Beton-Batterie vorerst Zukunftsmusik. In fünf bis zehn Jahren könnten die ersten Gebäude mit integrierter Speicherfunktion entstehen – und die Art verändern, wie wir über Energie und Infrastruktur denken.